Amok-Populismus

Von R. Hagen, deLiF.

Nach dem Amoklauf von Leutershausen bei Ansbach kommen die üblichen Reaktionen: Politiker aller Couleur sprechen den Angehörigen der Toten ihr Mitgefühl aus und fordern Verschärfungen des Waffenrechts.

Das deutsche Liberale Forum deLiF spricht selbstverständlich den Angehörigen der Toten und sonstigen Betroffenen der Fahrt des 47jährigen Täters sein Mitgefühl aus.

Eine aktionistische Verschärfung des Waffenrechts zu fordern, gibt weder das Grundsatzprogramm des deLiF, noch seine beschlossenen Programmpunkte in Bezug auf das Waffenrecht her. Ob vier Tage nach der Tat und mitten während der Ermittlungen zur Tat wirklich schon der Zeitpunkt ist, sich zu Wort zu melden und Forderungen zu stellen, ist zweifelhaft.

Da die Forderungen des politischen Mitbewerbers jedoch schon erhoben werden, erklärt das deutsche Liberale Forum auch seine Forderungen aus diesem und ähnlichen Fällen der jüngeren Vergangenheit. Forderungen nach reiner Symbolpolitik widersprechen jedoch der Sachlichkeit und Sorgfalt, die zu den Grundsätzen der Arbeit des deutschen Liberalen Forums gehören.

Die Tat im Zusammenhang

Die Tat — der Amoklauf / erweiterte Selbstmord eines Menschen, der sich als psychisch erkrankt erweist — ist dabei bei weitem nicht die erste; bereits am 10. Juni ereignete sich in Graz eine Amokfahrt mit mehreren Toten ohne Schußwaffengebrauch. Es wäre zu prüfen, inwieweit es sich in Ansbach-Leutershausen um einen Nachahmer handelt (sog. «Werther-Effekt») und welche Schlußfolgerungen dies in Bezug auf die Abwägung zwischen Informationsbedürfnis und Prävention bedeutet. Eine Tat mit drei Toten und 34 Schwerverletzten kann man möglicherweise auch eher zusammenfassend beschreiben.

Damit zeigt sich jedoch, daß eines ganz sicher nicht wirkt: Eine wie auch immer geartete Verschärfung von Gesetzen. Der Bürgermeister Heß hatte noch am Vorabend der Tat das deutsche Waffenrecht gelobt, wegen dem historische Exponate des örtlichen Museums zerstört werden mußten; ein drastischerer Weckruf von den Träumreien eines «Supergrundrecht Sicherheit» dürfte schwer vorstellbar sein.

Dabei war die Amokfahrt von Graz auch nur Monate nach einem der wohl schlimmsten erweiterten Selbstmorde: Dem vorsätzlich herbeigeführten Absturz von Germanwings 4U9525 durch den anscheinend verzweifelten Co-Piloten. Dieser führte dazu. daß sich Bayerns CSU-Innenminister Hermann — Verzeihung — entblödete, ein Berufsverbot für psychisch Kranke zu fordern, was heftige und sehr verständliche Reaktionen hervorrief.

Billigen Populismus überläßt das deutsche Liberale Forum mit großer Freude der CSU, ebenso wie die Führungsposition im Wettlauf zur FDP ins «Tal der Bedeutungslosen» der SPD.

Sachlichkeit statt Symbolpolitik

Betrogen fühlen sich verständlicherweise die Betroffenen und ihre Angehörigen, die die Lippenbekenntnisse und Krokodilstränennach dem Tod des Fußballers Robert Enke† geglaubt hatten. Der Gesundheitsatlas des Dachverbandes der Betriebskrankenkassenweist aus, daß 15% der attestierten Krankentage auf psychologische Krankheiten zurückgehen. Die Rate der psychologischen Krankheiten ist dermaßen gestiegen, daß sie jetzt auch einen merklichen Anteil an den Sportschützen, Jägern, Polizisten, Soldaten, LKW-Fahrern, Ärzten, Kranführern und allen anderen Berufsgruppen ausmachen.

Ach ja — erfolgreiche Politiker sind da ganz ausdrücklich nicht ausgenommen.

Daher formuliert das deutsche Liberale Forum deLiF folgende Forderungen:

  • Mehr Geld für Prävention, um in möglichst vielen Betrieben und Behörden ein PEER-Konzept niederschwelliger Ansprechpartner zu verankern, die auf Probleme von Kollegen und Kameraden schnell eingehen können.
  • Bessere Qualitätskontrolle bei Ärzten und Therapeuten. Psychische Krankheiten werden immer vielfältiger, so daß ein «Facharzt» oder «klinischer Psychotherapeut» noch nicht viel darüber aussagt, welche Krankheitsbilder die Schwerpunkte sind; hier sind Betroffene nach einer Diagnose immer noch auf Selbsthilfegruppen und «Mundpropaganda» angewiesen
  • Mehr Therapeutenplätze, vor allem feiner aufgeschlüsselt. Wartezeiten bei Psychiatern, Nervenärzten und Therapeuten von mehreren Monaten sind keine Seltenheit. Es kann nicht sein, daß andererseits aufgrund zweifelhafter Planwirtschaft kompetente Therapeuten keine Kassenzulassung erhalten. Dies widerspricht vor allem der Spezialisierung, die verstärkt im Bereich der Neurologie stattfindet. Aus gutem Grund hat jeder Patient auch während fünf Probatorischer Sitzungen die Gelegenheit, den Therapeuten zu wechseln; auch diese sehr sinnvolle Anwendung des Personalitätsprinzips widerspricht einer Planwirtschaft von Kassenzulassungen.
  • Besser Möglichkeiten, eine medikamentöse Einstellung stationär durchzuführen. Nicht wenige Psychopharmaka sind während der Einstellung problematisch, weil sie zunächst die Antriebslosigkeit bekämpfen, die Stimmung erst etwas später verbessern. Aus diesem Grunde gibt es bei ihnen gesteigerte Suizidraten während der Einstellung, die durch eine stationäre Aufnahme und Stabilisierung währenddessen normalisiert werden können.
  • Und vor allem, über allem anderen: Die Stigmatisierung psychisch Kranker muß aufhören! Es kann nicht sein, daß Aufklärungskampagnen von Selbsthilfegruppen, Ärzten, Krankenkassen und sogar Politikern durch populistischen Blödsinn und voyeuristische Berichterstattung zerstört werden. Der Presserat muß reformiert werden, wenn er es nicht schafft, Verstöße gegen den Pressecodex durch große Zeitungen richtig zu ahnden und den Abdruck von Rügen und Gegendarstellungen richtig durchzusetzen. Weder ist jemand mit einer psychischen Erkrankung ein «potentieller Amokläufer», noch darf auf diese Minderheit ein Halali geblasen werden, wenn sich bei einem Täter neben vielen anderen Faktoren auch eine Krankheit als mutmaßliche Motivation für seine Tat herausstellt.

Diese Forderungen sind sicherlich nicht so griffig wie eine Forderung nach Waffenrechtsverschärfungen, beispielsweise einem Verbot von Gewehrriemen aus Einhornleder. Durch unsere Prinzipien und die Verpflichtung den Menschen gegenüber steht das deutsche Liberale Forum aber voll und ganz dahinter, auch nachdem sich die Presse nach der Tat wieder grüneren Wiesen zuwendet. Das deutsche Liberale Forum ist ein Forum für alle sozialliberalen Menschen, ob mit oder ohne psychologischer Erkrankung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf deLiF.

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7 Replies to “Amok-Populismus”

  1. Na, dann sage ich mal herzlich Dankeschön…

    Schauts euch auch den Rest des deutschen Liberalen Forums an. Wir freuen uns gerade in der Aufbauphase sehr über Interessenten und neue Partner; oder über Kommentare auf den Seiten des deLiF.

    1. Interessant, das deLiF beruft sich auf Ex-Piratenparteimitglieder und sieht sich als „Sozialiberal“.^^
      Jeder wo ein bischen Ahnung hat weis das Sozialismus sich in KEINSTER Weise mit Liberalismus verträgt. Das wäre so als ob jemand rechts blinkt und links abbiegt. Man belügt sich selber. Auch sind die Piraten nicht gerade für ihre freiheitliche Ausrichtung bekannt, machen eher einen auf KPD 2.0 oder versuchen die Grünen und Linken links zu überholen. 😀

      Konsequente Freiheit des Individuums erreicht man indem die Staatsaktivitäten und deren Gesetzgebung zurückgedrängt wird, aber kann niemals auf selbigen aufbauen. Das Recht Waffen zu besitzen und führen kann ein Gesetz auch nicht erlauben, es kann dieses nur einschränken oder ganz verbieten. Ohne staatl. Waffengesetze wäre der Besitz und das Tragen von Waffen nämlich Grundsätzlich erlaubt.
      Die US Verfassung schreibt dies nur im zweiten Verfassungszusatz vor, damit eine spätere Regierung den Besitz und das Tragen von Waffen nicht verbieten kann, was diese aber denoch versucht.

  2. Das war ja leider auch zu erwarten, von den üblichen dafür nicht qualifizierten Quellen….

    Es hat mich schon verwundert das beim „Kellerpanzer“ V niemand das allfällige „Amok“-geschrei erhoben hat. Und auch nicht bei dem in SH wenige Tage später mit knapp unter 100 Kurz- und Langwaffen und ca. 2 Zentnern TNT recht umfangreich ausgestatteten „Sammler“?

    Übrigens: Bei dem sonst so „genau“ von selbst erklärten „Antifaschisten“ betrachteten NSU-Tatkomplex hat sich auch niemand über das dabei sichergstellte „Amokpotenzial“ mokiert.
    Dabei wurde ja nicht nur verbotene Vollautomaten und Kurzwaffen sichergestellt, nein es fanden sich auch sogen. „Schießgeräte“ die auch als Unkonventionelle Schusswaffen“ (USW) bekannt sind.

    Trotz 10 Geschädigter hat da bisher niemand eine Waffenrechtsverschärfung gefordert, warum wohl?

  3. Die Forderungen nach Waffenrechtsverschärfungen beruhen weder auf der Amokprävention noch auf der Verbesserung der öffentlichen Sicherheit, egal wie sehr seine Protagonisten dies behaupten. Der wahre Grund liegt in einer Ideologie der Unfreiheit und Totalkontrolle auf leninistisch-stalinistischer Basis. Für die Vertreter diese Ideologie, egal in welcher Partei sie ihre unguten Ziele betreiben, ist der bewaffnete Bürger ein Unding, das bekämpft werden muss. Denn was fürchtet der Tyrann mehr als sein unterdrücktes Volk?

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