Recht auf Freiheit und Sicherheit

Ein Beitrag von Katja Triebel

Die Novo-Argumente haben ein Interview von 1999 mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemalige Bundesjustizministerin und Rechtsexpertin der FDP, ausgebuddelt. Deren Befürchtungen sind 15 Jahre später zur Realität geworden.

“Wer ein Grundrecht auf Sicherheit fordert, leistet einem autoritären Schutzstaat Vorschub”

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Hier ein paar Zitate aus dem Interview:

Ich spreche von der Gefahr einer Entwicklung hin zu einem autoritären Schutzstaat, weil die Bedeutung der Grundrechte, so wie sie die Mütter und Väter des Grundgesetzes konzipiert haben, heute an Gewicht zu verlieren droht. Seinerzeit interpretierte man die Grundrechte als Schutz vor staatlichen Eingriffen, also als Abwehrrechte gegenüber dem Handeln des Staates.

Aber es existiert auch der Ansatz, das Grundrecht als Schutzpflicht des Staates bzw. als Schutzrecht des Einzelnen auf Handeln des Staates zu betrachten.

Die Politik muss alles dafür tun, sich dem Schüren von Ängsten der Bürger entgegenzustellen, die in der Forderung gipfeln, der Staat müsse alles tun, um ihn zu schützen. Politiker haben meiner Meinung nach die Aufgabe zu verhindern, dass sich eine solche öffentliche Atmosphäre entwickelt. Und genau da liegt einiges sehr im Argen.

Gerade aus dem Umfeld der großen Volksparteien werden derzeit häufig bewusst Ängste mit erzeugt, potenziert oder geschürt, um am Ende unter Berufung auf dieses Grundverständnis massiv in Grundrechte einzugreifen. Das ist ein sehr konservatives und staatsorientiertes Denken, dem man als liberale Partei entschieden entgegentreten muss.

Aus der gleichen Quelle, aber von 2016

Auf dem Weg in den Präventationsstaat

Analyse von Horst Meier

Auch hier wieder ein paar Zitate:

Im Namen der inneren Sicherheit werden zunehmend Freiheiten eingeschränkt. Wir müssen lernen, mit dem Risiko der Freiheit zu leben.

Der Grundsatzstreit um Freiheit und Sicherheit schwelt schon lange, doch unter den Vorzeichen der digitalen Revolution hat er sich enorm verschärft.

Das Spiel von Räuber und Gendarm, [..] die simple Abfolge von Verbrechen und Strafe: das ist die Polizei von gestern. Eine moderne Polizei müsse [..] durch intensive Durchdringung der Gesellschaft potentielle Problem­zonen auszumachen und Konflikte, die in Straftaten münden könnten, frühzeitig zu erkennen. … Mit der stetigen Verschärfung von Gesetzen wurden die Befugnisse der Polizei weit ins Vorfeld konkreter Gefahren verlegt. ..

Indem Prävention schleichend ausgeweitet wird, bekommt sie eine immer größere Bedeutung. Unerwünschte Lagen aller Art sollen von vornherein vermieden, schon der Gefahr einer Gefahr, dem abstrakten Risiko soll vorgebeugt werden. Das Zauberwort heißt „Gefahren­vorsorge“.

Diese Entwicklung, von [dem Verfassungsrechtler Erhard] Denninger als eine „vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat“ charakterisiert, läuft darauf hinaus, ohne belegbaren Verdacht in die Rechte unbescholtener Bürger einzugreifen. Was mit dem scheinbar neutralen Begriff „anlasslos“ daherkommt, müsste nach herkömmlichem Verständnis schlicht „unbegründet“ heißen. Und genau auf diese Weise geraten immer häufiger Bürgerinnen und Bürger ins Visier von Sicherheitsbehörden, Menschen, denen nichts anderes vorzuwerfen ist, als dass sie E-Mails verschickt oder in einem bestimmten Mobilfunkbereich telefoniert haben.

Was tun gegen einen Präventions­staat, der längst unaufhaltsam scheint? Da sich Sicherheit anscheinend von selbst versteht, wäre schon viel damit gewonnen, kühlen Kopf zu bewahren und die Konjunktur­ritter der Gefahren­vorsorge mit der Bürgerfreiheit zu konfrontieren. Eine offene Gesellschaft, die ihre Lebensform – das heißt die Pluralität ihrer politischen Anschauungen, die Vielfalt ihrer religiösen Überzeugungen, die Verschiedenheit ihrer Lebensstile und nicht zuletzt das Recht auf digitale Privatsphäre – eine Gesellschaft, die all das nicht Stück für Stück einer trügerischen Sicherheit opfern will, muss vor allem eines lernen: mit dem Risiko der Freiheit zu leben.

Aller guten Dinge sind drei, deswegen noch ein Blick auf die Sicherheit einer Studentin der Psychologie an der Universität Mannheim und Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit:

Sicherheit – die Mär einer „Freiheit von Furcht“

Essay von Mareike König

„Was müssten wir alles verbieten, damit für jeden Menschen auf dieser Welt die „Freiheit von Furcht“ realisiert werden kann?“

Über die Definition des Begriffs „Sicherheit“ besteht nicht nur im gesellschaftlichen Diskurs, wenn überhaupt, ein vages Verständnis. Der Duden listet als Bedeutungen den „Zustand des Sicherseins; Geschütztseins vor Gefahr oder Schaden“ und ein „höchstmögliches Freisein von Gefährdungen“.

In den Politikwissenschaften gibt es den Ansatz der „Human Security“, der in seiner Definition direkt an die Roosevelt’sche Tradition einer „Freiheit von Furcht“ anknüpft: „Sicherheit der Person“ ist erst dann hergestellt, wenn sich kein Individuum mehr fürchten muss.

Das zentrale Problem: Sicherheit als „Freiheit von Furcht“ ist meistens kein Zustand, sondern ein Gefühl. Klassisches Beispiel dafür ist das Kind, das vor dem Einschlafen Angst vor Monstern hat: Es ist sicherlich nicht frei von Angst, obwohl es vollkommen in Sicherheit ist. Es ist unwichtig, ob wir sicher sind. Es ist wichtig, dass wir uns sicher fühlen.

Sich sicher fühlen zu wollen ist auch eine Entscheidung. Ich kann meinen Fokus auf die Dinge richten, die mir Angst machen – oder auf diejenigen, die mir Mut machen.

Gerade im Bereich der „inneren Sicherheit“ ist es besonders faszinierend, wenn wir uns ansehen, welche Kosten wir in der Währung „Freiheit“ zu zahlen bereit sind, wenn es selbst um die kleinste Reduktion der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Sicherheitsrisiken geht. Wenn uns im politischen Wahlkampf oder von Aktivisten ‚Sicherheit‘ versprochen wird, sollten wir allerdings genau nachhaken.

Die gute Nachricht: Sicherheit mit Selbstvertrauen. Der Psychologe Gerd Gigerenzer beispielsweise hält die Fähigkeiten des Menschen, individuelle Entscheidungen auch in komplexen Situationen (dazu gehört eine Bedrohungslage) fällen zu können, für exzellent ausgebildet, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht rational sind. Meist lassen wir uns nur kurzfristig von bedrohlichen Ereignissen aufschrecken. Mit einem gewissen Abstand hat sich die mediale Präsenz relativiert und wir können uns wieder auf unsere Intuition verlassen. Dabei gilt: Je abstrakter das Ereignis für uns war – zum Beispiel je weiter weg -, desto schneller stimmt unser intuitives Gefühl für unser „Sichersein“ wieder mit dem Grad an Sicherheit überein, den wir durch eine rationale Analyse unserer Situation ermitteln können.

 

Mein Fazit..

..nach dem Lesen dieser drei Artikel (und dem angehäuften Wissen aus sieben Jahren Waffenrechtspolitik): Die Bürger sind i.d.R. schlauer und rationaler in Bezug auf Sicherheit als die Politiker. Kein Mensch hatte 2014 Angst vor einem Terroranschlag mit Sprengstoffen, die aus legaler Herstellung und Handel kommen. Trotzdem verabschiedete die EU ein Gesetz zu Explosivstoffen, welches ein Jahr später national umgesetzt wurde und eine jährliche Mehrbelastung von 30 Millionen Euro für die Branchen (Bergbau, Munitionsherstellung, Straßen- und Hausbau) bedeutet. Begründet wurde das Gesetz mit dem Sprengstoffanschlag 2004 auf die spanische Eisenbahn, an die sich kaum jemand noch erinnern kann. Die Anschläge 2015 in Paris und 2016 in Brüssel wurden dadurch jedoch nicht verhindert. Anscheinend hatten sich die Attentäter nicht mit legalen Sprengstoffen eingedeckt.

Kaum ein Mensch, der sich mit den Fakten zum legalen Waffenbesitz auskennt, hat Angst davor, dass autorisierte Bürger private Waffen besitzen. Doch einige Politiker und Ministerialbeamte benutzen Terrorismus und Kriminalität, um die Bürger „anlasslos“ zu entwaffnen, obwohl bekannt ist, dass die Terroristen keine legalen Schusswaffen benutzt hatten und selbst die EU-Studie zur Waffenkriminalität besagt, dass die meisten, eventuell sogar alle, Opfer von Schusswaffengewalt im Zusammenhang mit illegalen Waffenbesitz stehen.

Viele Bürger – auch der tschechische Innenminister und der frühere Generalsekretär von Interpol, selbst der Oberrabiner Margolin argumentieren, dass mit der Erlaubnis, Waffen tragen zu dürfen, sich viele Bürger sicherer fühlen würden. Das FBI bestätigt, dass Widerstand bei Attacken – im besten Fall auch bewaffneter – die beste Lösung sei, wenn „Run and Hide“ (Weglaufen und Verstecken) nicht mehr zur Auswahl stehen. Wollen wir hoffen, dass sich dieses Mal im Europäischen Parlament die Vernünftigen und nicht die Angstmacher durchsetzen. In jedem Fall arbeiten FIREARMS UNITED und seine Partner (wie die GRA) an der Möglichkeit, dass künftig die vernünftige Ansicht des tschechischen Innenminister sich durchsetzt.

Tschechien lehnt die von der EU-Kommission in Reaktion auf die Terroranschläge von Paris vorgeschlagene Verschärfung des Waffenrechts ab. Das habe der nationale Sicherheitsrat beschlossen, berichtete das öffentlich-rechtliche Fernsehen CT heute.

„Es entbehrt jeder Logik, anständige Menschen in einer Zeit zu entwaffnen, in der die Welt immer weniger sicher ist“, sagte Innenminister Milan Chovanec laut CT. 

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