Süddeutsche Zeitung Magazin: Die Lust am Lästern über die USA?

Gestern wurden wir per Facebook auf die neue Ausgabe des SZ Magazins aufmerksam gemacht. Auf dem Cover ist eine schwangere Frau mit einer Schusswaffe abgebildet und bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass es sich um eine Trainingszielscheibe handelt.

Fazit nach dem Lesen: Der Artikel des SZ Magazins unterschreitet die von uns erwartet Qualität sogar noch deutlich.

Bevor wir nun weiter auf den genannten Artikel eingehen, möchten wir erläutern, was es mit diesen Trainingszielscheiben – auf denen z.B. Schwangere, Kinder und junge Mütter abgebildet sind – auf sich hat.

let_targets

Die fragwürdigen Zielscheiben wurden von einer in Minnesota ansässigen Firma „Law Enforcement Targets“ (kurz: LET) tatsächlich produziert und in ihrem Webshop zum Kauf angeboten. Diese Firma hatte mit der Bundesregierung der USA einen Vertrag über 5,5 Millionen USD geschlossen hat, wobei davon 2 Millionen USD des Budgets für das Department of Homeland Security (die Heimatschutzbehörde der USA) vorgesehen sind.

LET sagte, dass diese Ziele von den Strafverfolgungsbehörden angefordert und entworfen wurden, damit Polizisten „ungewöhnlich komplexe Situationen“ trainieren können.

Nach dem bekannt wurde, welche Zielscheiben da LET unter anderem anbietet, empörten sich so viele US Bürger darüber, dass die Firma LET schließlich einlenkte und die Zielscheiben aus dem Programm nahm.

Einige prägnante Zitate dazu (übersetzt von uns):

Als Law Enforcement Trainer (ich trainiere Polizisten), sollte sich die Ausbildung darauf konzentrieren, das Objekt zu identifizieren (Pistole vs Handy) und zu unterscheiden, ob eine Schussabgabe erforderlich oder nicht erforderlich ist. Aus Sicht des Law Enforcement ist es völlig unerheblich, wer auf der Zielscheibe abgebildet ist. Warum bilden Sie typische „böse Personen“ auf der Scheibe ab? Dies hat keinen anderen Effekt als den, die Heimatschutz- und Sicherheitsbeamten für einen sehr kleinen Prozentsatz von potentiellen Verbrechern zu desensibilisieren. Ich werde nichts von Ihnen kaufen, auch nicht meine Abteilung, an deren Entscheidungen ich teilweise beteiligt bin. SIE sind ein Teil des Problems, mit dem dieses Land konfrontiert ist.
(Kommentar auf der Facebook-Seite von LET)

Es scheinen also nicht alle US Bürger, die im Polizeidienst tätig sind, diese Zielscheiben zu mögen.

LET selbst bezog wegen dieser Art von Kommentaren auf ihrer Facebook Präsenz eindeutig Stellung.

Wir entschuldigen uns für die offensive Art unserer „No More Hesitation“ Produkte [Anm.: Die fragwürdigen Scheiben]. Diese Produkte sind wegen der vielen Leser-Kommentare, darunter auch viele von Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden, nicht mehr im Shop.

Ein weiterer interessanter Kommentar zu diesen Thema findet sich auf der Webseite der Washington Times – übrigens ein konservatives, republikanisch zu verortendes Blatt, das von vielen Waffenbesitzern in den USA gelesen wird.

Während die Entfernung der Zielscheiben aus dem Online-Shop als Schritt in die richtige Richtung erscheinen mag, ist die Tatsache, dass sie in erster Linie von unseren vermeintlichen Friedenspolizisten verwendet werden, unheimlich. Die Tatsache, dass unsere eigene Abteilung der Staatssicherheit dafür Geld aufwendet, ist ebenfalls beunruhigend.

In dem unwahrscheinlichen Fall, dass ein inländischer Vollzugsbeamter auf die unerwartete Bedrohung durch einen bewaffneten Achtjährigen oder einer bedrohlichen Mutter in der Gegenwart ihrer Kleinkinder trifft, ist Zögern nicht nur eine natürliche Reaktion, sondern eine moralische und korrekte Reaktion. Es gibt gute und noble Gründe, warum unsere Zivilisation diese Einschränkung rund um das Leben der Jungen, der Alten und Schwachen errichtet hat.

Der erste und offensichtlichste Grund dafür ist, dass schwangere Frauen, Großmütter und kleine Jungen selten „Bedrohungen“ für Polizeibeamte darstellen. Und falls ein Beamter von einem dieser Zivilisten in deren eigenen Wohnungen oder Hinterhöfen bedroht wird, sollte er dann nicht eher prüfen, ob es möglich ist, dass diese einen begründeten Groll gegen ihn hegen? Der Gedanke verusacht einen gewissen Horror, dass unsere Heimatschutzbeamten darauf trainiert werden, ohne Zögern oder Rücksicht auf Frauen und Kinder und ältere Menschen der eigenen Nation zu schießen.

LET behauptet in ihrer Aussage zur „No-Hesitation“-Kampagne, dass ein Zögern „nicht akzeptabel ist, wenn dadurch Beamte ihr Leben verlieren könnten“. Aber ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung bittet um Unterscheidung. So stark wir auch unsere Sicherheitsbeamten und Polizisten bewundern und respektieren, verstehen wir auch die Unmöglichkeit der Beseitigung allen Leids auf der Erde. Wir bevorzugen eine humane Gesellschaft mit traditionellen Zwängen und Schutz für die Schwachen statt einer Nation, die sich von Angst besetzt aller Verhaltensregeln beraubt. Wir bevorzugen eine Gesellschaft, in der das Leben eines Kindes nicht ohne Zögern von dem Beamten genommen wird, der angestellt wurde, um dieses zu schützen. Und falls einige – sehr, sehr wenige – unserer Beamte ihr Leben zum Wohle dieses Kodex opfern müssen, dann ziehen wir das anstatt der Alternative – einer sinnlosen Roboter-Polizei, die nicht zögern wird, unsere Großeltern mit Kugeln zu durchsieben – vor.

Seien wir ehrlich: Wenn hier in Deutschland die Polizei mit solchen Zielscheiben trainieren würde, dann würden sich in unseren Medien ähnliche Artikel finden, wie der oben zitierte. Warum glauben Teile unserer Medien also eigentlich, dass es in den USA anders ist? Warum wird sich nicht die Mühe gemacht zu recherchieren, wie die Amerikanerinnen und Amerikaner über diese Zielscheiben denken? Ist die Lust am vorurteilsbehafteten Lästern über die USA und die Waffenbesitzer einfach zu groß?

Lesen wir doch einfach beim SZ Magazin nach:

Im Ernstfall muss die Frage, ob man einer Schwangeren in den Kopf oder in den Bauch schießt, im Bruchteil einer Sekunde beantwortet werden. Die Zielscheibe auf dem Cover dieses SZ-Magazins verrät die Antwort mit einem feinen Umriss zwischen Herzgegend und Hirnschale. Geht es also darum, die Mutter zu töten und das ungeborene Kind zu verschonen, genauso wie diese verlogene Moral US-amerikanischer Konservativer immer einfordert? Also den Waffenbesitz ohne Rücksicht auf das Leben der Bürger möglich zu machen, während das ungeborene Leben um jeden Preis geschützt werden soll?

Das Zielscheibenbild der Schwangeren stammt aus der Serie Split Second Targets der Firma Law Enforcement Targets Inc. (LET) mit Sitz in Minneapolis. Sie gehört zu einer Sammlung lebensgroßer human targets, welche die Redaktion des niederländischen Kunstmagazins Useful Photography zusammengetragen hat. Es geht bei diesen Zielscheiben für Sekundenbruchteil-Entscheidungen nicht um Moral, sondern darum, das eigene Überleben zu trainieren. Wer zögert, stirbt. Dann ist es egal, ob die Kugel aus der Waffe einer Schwangeren oder eines Terroristen kommt. Handicap sind bei solchen Schießübungen lediglich Zielpersonen, die keine Waffe haben oder eine Polizeimarke. Auch das ist keine Frage der Moral, denn wer auf die feuert, macht sich im Ernstfall zum Mörder oder Jagdwild.

In dem Artikel fällt kein Wort darüber, wie weite Teile der US Bevölkerung auf diese Zielscheiben reagiert haben. In dem Artikel wird auch nicht genannt, dass die Zielscheiben von LET längst aus dem Programm genommen worden sind. Statt dessen wird über die „Moral US-amerikanischer Konservativer“ geurteilt und herbeiphantasiert, dass US Bürger möglicherweise moralresistent ihre Mitmenschen erschießen.

Liebes SZ Magazin, mal ganz unter uns: Soll das lustig sein? Haben wir einfach nur die Ironie übersehen? Oder seid ihr wirklich einfach nur unfähig Google zu benutzen? Wie steht es eigentlich um euer Englisch?

Und selbstverständlich lasst ihr es euch auch wieder mal nicht nehmen von den „jährlichen Toten durch Schussverletzungen von jetzt rund 31.000“ zu sprechen, um damit den Eindruck zu erwecken, dass es in den USA besonders gewalttätig zu geht. Dabei unterschlagt ihr geschickt das fast zwei Drittel der genannten Zahl Selbstmorden zuzuschreiben sind. Die USA verzeichnet – eventuell wegen der Finanzkrise – einen steigenden Trend bei Selbstmorden. Selbstmorde sind, wie wir wissen, völlig unabhängig vom Tatmittel. So stiegen in den USA innerhalb von zehn Jahren die Selbstmorde durch Vergiftung um 24% und die durch Erhängen sogar um 81%.

Für das Jahr 2012 zählt die offizielle Statistik des FBI 8.855 Morde, bei denen eine Schusswaffe verwendet wurde. 90% dieser Waffen waren illegale Waffen, da die Täter bereits vorher straffällig waren und somit legal keine Schusswaffen erwerben konnten.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Mordrate mit Schusswaffen in den USA fast halbiert, aber dies scheint bis zu den deutschen Medien noch immer nicht durchgedrungen zu sein und es werden Zahlen verwendet, die für die Beurteilung, ob vom privaten Waffenbesitz eine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht (oder eben nicht), völlig ungeeignet sind.

Anti-amerikanisch zu sein ist einfach, nicht wahr? Aber die Welt besteht auch in den USA nicht nur aus schwarz und weiß und guter Journalismus sollte sich unserer Ansicht nach dadurch auszeichnen, dass die Welt nicht nur zweifarbig gezeichnet wird.

Keine Frage, die Zielscheiben sind absolut skurril und selbstverständlich total daneben. Sie hätten aber auch ein sehr guter Anlass sein können, um darüber zu berichten, wie die US Bürger tatsächlich über solche Scheiben denken.

Aber vor allem hätte das SZ Magazin auch darüber berichten können, warum der zweite Verfassungszusatz der USA durchaus eine gute Idee ist. Insbesondere dann, wenn eine Bundesbehörde mit Schießscheiben trainieren soll, auf denen Schwangere und Kinder abgebildet sind.

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6 Replies to “Süddeutsche Zeitung Magazin: Die Lust am Lästern über die USA?”

  1. Interessant sind die Kommentare dazu. Viele Leser dürfte die SZ wirklich nicht mehr haben.
    Ich frage mich aber immer wieder wo bei solchen redaktionellen „Entgleisungen“ der Presserat bleibt. Anstand, Ehre und Ehtik werden immer öfters auf dem Altar der linksgrünroten Ideologie geopfert. Hauptsache man hat seinen festen Platz im virtuellen, heilen Weltbild von irren Weltverbesserern und Verbotsaposteln.
    Gnade uns Gott wenn diese Art von Stimmungsmache Schule macht….

    1. Hallo Lawgunsandfreedom! Das Schlimme ist ja gerade, dass diese Leute in der Regel eine hervorragende journalistische Ausbildung haben und TROTZDEM solche Artikel erstellen. Das ist GEWOLLT!! Das ist eben leider keine Unwissenheit, Dummheit oder mangelnde Ausbildung. Und DAS macht es besonders erschreckend. Ich erkenne dabei, dass gut ausgebildete Journalisten einem Trend folgen, der von ihnen selbst, wenn nicht erzeugt, dann jedoch gefördert wird. Hinzu kommt, und das sollte man nicht vergessen; die meisten Leser der SZ (ich gehöre übrigens auch dazu) erwarten eine bestimmte Tendenz. ABER! ICH bin eher enttäuscht über diese Art von „Recherche“. Sie dient scheinbar lediglich der Auflagensteigerung. Natürlich bin auch ich subjektiv! Als LWB habe ich eine Grundeinstellung, der in diesem Artikel (einmal mehr) widersprochen wird. Das kann ich zur Kenntnis nehmen, und ich kann Stellung nehmen. Die Meinung der SZ jedoch, hat einen ganz anderen „Stellenwert“ als meine bescheidene Meinung. Und dessen ist sie sich bewusst. DAS macht für mich den Unterschied zu irgend welchen „Blödis“, die aus Unwissenheit etwas in die Öffentlichkeit tragen und solchen Profis, die genau wissen was sie wann, wo, wie und warum sagen/schreiben. Die Artikel der SZ erscheinen zwar seriöser, als der Mist aus der „Blöd“ Zeitung, ist aber gerade deshalb auch viel gefährlicher.

      1. Das mit den „gut ausgebildeten“ Journalisten würde ich so nicht unterschreiben. Sicher hast Du recht, daß es gut ausgebildete Journalisten gibt, denen nicht die Möglichkeit gegeben wird, sauber recherchierte Artikel zu schreiben, welche, die eine „Gag-Order“ haben, wie beim Springer-Verlag, und welche, die ideologie-konform schreiben.

        Leider kenne ich auch einige „Journalisten“ die eben nicht gut ausgebildet sind und ihren eigenen Vorurteilen hinterherschreiben, sowie einige, die nur gucken, wem sie nach dem Mund reden müssen.

        Ob gut oder schlecht ausgebildet – daß da ein Trend dahintersteht ist offensichtlich. Ob der gewollt/gesteuert ist, oder ob da einfach nur dumpfe Vorurteile, Ignoranz oder Denkfaulheit dahinterstehen, darüber ließe sich trefflich streiten.

        Daß die Medien ihre „Pressefreiheit“ auch dazu mißbrauchen um Meinung zu machen, statt zur Meinungsbildung beizutragen, ist auch eine Binsenweisheit. Längst geht es doch um Marktanteile und um Sensationen, statt um seriöse Berichterstattung. Letzteres verkauft sich leider nicht so gut.

      2. Da gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Ist zwar traurig, aber wahr. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ich die Schreiberei der „gut ausgebildeten Journalisten“ noch schlimmer empfinde (..“denn sie wissen was sie tun…“), als die der Pappnasen, Praktikanten usw. Ansonsten: voll dacor!!

  2. Schon wieder so ein Bericht der SZ der ohne reale Tatsachengrundlage nur zur Stimmungsmache benutzt wird. Es wird nicht über Tatsachen berichtet, sondern es wird eine an den Haaren herbeigezogene Meinung verbreitet. So was nannte man früher mal Propaganda.

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