Drei Zeitungsmeldungen – eine objektive und zwei sehr subjektive Eindrücke ein und derselben Tat!
Schlagzeile A: Rentner gibt Schuss an Bushaltestelle in Spandau ab
Ein 67-Jähriger hat sich in einen Streit an einer Bushaltestelle eingemischt. Kurzerhand zog er eine Waffe und gab einen Schuss ab.
In der vergangenen Nacht haben Polizisten in Spandau einen 67 Jahre alten Mann festgenommen, nachdem er einen Schuss auf einen 22-Jährigen abgegeben hatte. Ersten Ermittlungen zufolge sollen gegen 0.40 Uhr eine Frau und der 22-Jährige an einer Bushaltestelle am Rathaus Spandau in Streit geraten sein.
Der ältere Mann soll sich dann in den Streit eingemischt, unvermittelt eine Schusswaffe aus dem Hosenbund gezogen und den jungen Mann bedroht haben.
Im weiteren Verlauf soll er einen Schuss abgegeben haben, der glücklicherweise niemanden traf. Anschließend sei er in einen Bus gestiegen. Alarmierte Polizisten nahmen ihn kurze Zeit später fest. Die Hintergründe der Tat ermittelt nun die Kriminalpolizei.
Schlagzeile B: Wildwest am Rathaus Spandau: Rentner ballert auf 22-Jährigen
Ein 67-Jähriger zieht in der Nacht zu Freitag eine Knarre aus der Hosentasche und schießt auf einen 22-Jährigen.
Der ältere Mann soll sich dann in den Streit eingemischt, die Knarre gezogen und den jungen Mann bedroht haben.
Dann fiel auch noch ein Schuss – glücklicherweise verfehlte der Ballermann sein Ziel. Als wäre es das Normalste der Welt, stieg der Schütze anschließend in einen Bus.
Alarmierte Polizisten nahmen ihn kurze Zeit später fest. Die Hintergründe der Tat ermittelt nun die Kriminalpolizei.
Schlagzeile C: Durchgeknallt: Rentner schießt am Rathaus Spandau
Am Rathaus Spandau ist in der Nacht zu Freitag ein Schuss an den Bushaltestellen der BVG gefallen. Wie die Berliner Polizei am Freitagmorgen mitteilte, soll es gegen 0.40 Uhr einen Streit gegeben haben zwischen einem 22-Jährigen und einer Frau. Plötzlich habe sich ein Unbeteiligter eingemischt: ein 67 Jahre alter Mann.
Dieser habe „unvermittelt eine Schusswaffe aus dem Hosenbund gezogen und den jungen Mann bedroht“, teilte die Polizei mit. Im weiteren Verlauf soll der ältere Mann einen Schuss abgegeben haben, der glücklicherweise niemanden traf. Anschließend sei er in einen Bus gestiegen. Alarmierte Polizisten nahmen ihn kurze Zeit später fest.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/spandau/berlin-spandau-durchgeknallt-rentner-schiesst-am-rathaus-spandau/12835634.html
Drei Zeitungsmeldungen berichten mit unterschiedlichen Schlagzeilen über die gleiche Tat.
In Meldung A glaubt der Leser, dass der Rentner Zivilcourage gezeigt hatte. Ob eine Straftat vorliegt oder ob er in Nothilfe einer bedrohten Frau geholfen hatte, steht noch aus
In Meldung B hat der Mann erst wild rumgeballert und sich dann in einen Streit eingemischt.
In Meldung C ist die Einmischung eine Bedrohung für beide (Frau und Mann, die Streit hatten).
Alle drei Meldungen schreiben, dass „glücklicherweise“ der Schuss niemanden traf.
- Kann es sein, dass der Rentner eine Schreckschusswaffe hatte, die nicht „glücklicherweise“, sondern generell keinen trifft, weil kein Projektil austritt?
- Kann es sein, dass der Rentner sogar einen „Kleinen Waffenschein (KWS)“ zum Tragen besitzt? (In der Regel wissen 67-Jährige nichts von diesem Gesetz aus 2003 , daher kann es auch gut sein, dass er keinen KWS hatte)
- Kann es sein, dass der 22-Jährige die Frau, mit der in Streit geraten ist, auf eine Art und Weise attackiert hatte, die für einen 67-Jährigen eher an Nothilfsituationen als an „normalen Umgang“ erinnerte, weshalb er auch seelenruhig nach Beendigung des Streit, den er glaubte, beendet zu haben, seinen Bus bestieg?
- Kann es sein, dass der 22-Jährige genau durch diese Platzpatronen-Schussabgabe so die Aufmerksamkeit auf sich zog, dass er den Streit mit der Frau nicht mehr fortsetzte?
Auf diese Fragen haben wir keine Antworten.
- Wir wissen nur, dass 67-Jährige sich i.d.R. ihre Schreckschusswaffe eher in den Jahren 1987 bis 1997 gekauft haben, wo es noch keinen „Kleinen Waffenschein“ gab.
- Wir wissen nur, dass 67-Jährige Zivilcourage besitzen, aber keine Körperkraft mehr haben, und daher in vermeintlichen Nothilfesituationen zu anderen Hilfsmitteln (wie auch Frauen generell) greifen müssen.
- Wir glauben zu wissen, dass der 67-Jährige seelenruhig in den Bus stieg, weil er glaubte, erfolgreich einen Streit geschlichtet zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der 22-jährige Aggressor, die angegriffene Frau und evtl. etliche Zeugen diesen Vorfall als Bedrohung der Polizei meldeten und nicht als erfolgreiche Streitschlichtung, ist dem 67-Jährigen evtl. nicht mal in den Sinn gekommen. (Uns schon). Die Verhaftung des 67-Jährigen ist daher evtl. für diesen völlig überraschend gekommen – andernfalls hätte er vielleicht sogar selber Anzeige bzgl. der Bedrohung des 22-Jährigen erstattet.
Fazit: Wir wissen nichts – die Zeitungen aber schon:
„Wildwest“ und „Durchgeknallt“ sind kein objektiven Beschreibungen, „Rentner gibt Schuss an Bushaltestelle in Spandau ab“ ist jedoch eine objektive Schlagzeile.
Auch lässt die Beschreibung der Berliner Morgenpost Interpretationen des Vorfalls zu (erst Streit, dann Schussabgabe).
Der Berliner Kurier verdreht die Zeitabläufe (erst Schuss, dann Streit). Der Tagesspiegel beschreibt die Einmischung als grundlose Bedrohung.
Ja, auf unsere Wahrheitspresse ist immer Verlass. Man kann sich darauf verlassen, daß die Fakten der politischen Einstellung nach zurechtgebogen werden. Schließlich geht es nicht um Information, sondern um Meinungsmache in Richtung der vorgeschriebenen EInheitsmeinung der Einheitspartei, welche ja bekanntermaßen immer Recht hat.
Und da wundert sich unsere freie Presse noch, wenn sie subjektiv betrachtet Lügenpresse geschimpft wird. Meiner Meinung nach zu Recht. Zitat aus der Bibel: Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Alles was dazwischen ist, ist vom Übel. Für Bibelkenner, ich habe sinngemäß u. nicht wörtlich zitiert. Ich behersche kein Alt-Aramäisch.
If you don’t read newspapers, you are uninformed.
If you read newspapers, you are misinformed.
Mark Twain