Bürokratiemonster 3: Verfassungsschutz und Zuverlässigkeit

Künftig soll bei jeder Zuverlässigkeitsprüfung, d.h. bei Neuerwerb, bei Jagdschein-Verlängerung, sowie alle drei Jahre, eine Abfrage beim Verfassungsschutz zwingend erfolgen. Das sind 450.000 Abfragen pro Jahr, die allermeisten davon im März, wenn die Jagdscheine verlängert werden.

Waffengesetz Punkt3

Regelabfrage

Hessen hatte ausgerechnet, dass dies 4,8 Millionen Euro jährlichen Aufwand bedeutet, wenn dies individuell geschehen würde. Diese Kosten tauchen in den Anträgen aber nicht auf. (Wir berichteten)

Bei meinen Recherchen habe ich herausbekommen, dass es solch eine Regelabfrage auch für die Angestellten im Bewachungsgewerbe gibt, wogegen die Juristen im Staatsdienst sich (noch) dagegen wehren konnten. Das BAFA hat hierzu ein Bewacherregister mit Schnittstelle zum Verfassungsschutz eingerichtet. Diese Zuverlässigkeitsprüfung für 200.000 Menschen soll 1,4 Millionen Euro kosten. Da dieses Register jedoch dem BMWI und nicht dem BMI untersteht, ist davon auszugehen, dass für unsere Regelabfrage eine komplett andere Schnittstelle erstellt werden muss, die auch die neuen Vorgaben der „Zuverlässigkeit“ beachtet.

Auch hier hatte Niels Heinrich einen praktischen Vorschlag: Statt Regelabfragen von 960.000 Waffenbesitzern könnten die Verfassungsschutzbehörden ihre 36.000 Extremisten im NWR abfragen.

Zuverlässigkeit

Ab 2020 wird die Zuverlässigkeit für WBK-Besitzer und Pulverschein-Besitzer auch dann regelmäßig angezweifelt, wenn sie in den letzten fünf Jahren Mitglied einer verfassungsfeindlichen Vereinigung waren, auch wenn diese Vereinigung nicht verboten ist und das Mitglied selber keine verfassungsfeindlichen Äußerungen getätigt hat.

So kann künftig Mitgliedern verfassungsfeindlicher Vereinigungen auch dann die Waffenerlaubnis verweigert bzw. entzogen werden, wenn die betreffende Vereinigung (noch) nicht verboten ist. Dies wird durch eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz vor Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse wirksam flankiert

Welches Register gilt für die Unzuverlässigkeit?

Bei meiner Recherche habe ich mehrere Verzeichnisse von extremistischen Vereinigungen gefunden: aus Bayern, aus der DDR, als Anhang im Verfassungsschutzbericht 2018 (Seite 346 ff), aus Hamburg oder Thüringen.

In Bayern sind diverse Pegida-Vereinigungen, Der Flügel, DIE FREIHEIT, linksjugend und die Identitäre Bewegung (IB) aufgeführt. In Bayern ist auch die Mitgliedschaft in der Partei „DIE LINKEN“ ein Hinderungsgrund für die Anstellung als Beamter. Beim Verfassungsschutzbericht des Bunds fehlen diese Vereinigungen. Dort wird die IB (noch) als Verdachtsfall gelistet.

Im Gesetz steht, dass die Behörden sich an die zuständigen Verfassungsschutzbehörde wenden soll.

Es kommt also künftig darauf an, in welchem Bundesland man lebt. In Bayern sind Rote Hifle e.v. linksextrem, in Hamburg wird sie zwar erwähnt, taucht aber nicht im Register auf, gleiches gilt für Pegida. In Bayern sind IBD und Der Flügel ein Problem, in Thüringen ist Der Flügel im Abgeordnetenhaus und die IBD findet keine Erwähnung.

Fazit

Es ist gut, dass statt der Forderung, jeder beim Verfassungsschutz gespeicherte Bürger sei unzuverlässig, nun die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als Grundlage für die vermutete Unzuverlässigkeit gilt. Trotzdem bleiben Grauzonen in Bezug auf die Auflagen, ab wann eine Vereinigung verfassungsfeindlich zu identifizieren ist. Statt der Landesämter sollte nur das Register des Bundesverfassungsschutzes gelten. Zudem darf es keine Briefabfrage geben, ansonsten warten die Jäger monatelang auf die Jagdscheinverlängerung – und werden währen der Wartezeit zu illegalen Jagdwaffenbesitzern, da deren Besitz an einen gültigen Jagdschein 2003 gekoppelt wurde.

2 Replies to “Bürokratiemonster 3: Verfassungsschutz und Zuverlässigkeit”

  1. Ich denke, dass die Abfrage/Ueberpruefung alle 5 Jahre (nicht alle 3) vorgenommen werden soll.
    Die Aussage „Es ist gut, dass statt der Forderung, jeder beim Verfassungsschutz gespeicherte Bürger sei unzuverlässig, nun die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als Grundlage für die vermutete Unzuverlässigkeit gilt. “ halte ich fuer nicht im Gesetz wieder-gegeben. Es ist die Rede von “ …oder eine solche Vereinigung unterstuetzt haben…“. Das heisst fuer mich, dass z.B. der Besuch eines falschen Konzertes oder ein Freund „in den falschen Kreisen“ bereits zum Entzug fuehren kann. Es ist einfach davon abhaengig, welche (auch ungesicherte) Informationen beim „zustaendigen“ VS vorliegen.
    Und ich sehe schon, dass das Ganze wohnortsabhaengig ist. „…die Auskunft der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde…“ sagt das doch eineindeutig. Lediglich, wenn der Wohnort nicht auf dem Gebiet des Geltungsbereiches dieses Gesetzes liegt, wird der VS des Bundes gefragt.
    Fuer mich ein ganz klares Zeichen dafuer, dass die political correctness ein hoeheres Gewicht bekommen soll – und die Wahl des Wohnortes, wie im Artikel aufgefuehrt, dabei nicht unwesentlich ist.

    1. Das Problem mit den verfassungsfeindlichen Vereinigungen ist folgendes:
      Es dauert meist Jahre, bis die Verfassungsfeindlichkeit offiziell festgestellt worden ist. Und wenn so eine Vereinigung dann endlich verboten worden ist, finden sich die ehemaligen Mitglieder oftmals unter neuem Namen sofort wieder zusammen.
      Dass die Unterstützung einer solchen Vereinigung, ohne selbst Mitglied gewesen zu sein, ebenso zum Verlust der Zuverlässigkeit führen soll, ist deshalb zunächst folgerichtig. Wenn man verstanden hat, wie extremistische Netzwerke bestimmter Herkunft funktionieren und sich finanzieren, sollte dies nachvollziehbar sein.
      Allerdings ist es ein Unding, dass es in Deutschland Jahre dauert, bevor Terrornetzwerke aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn dies denn überhaupt passiert. Es gibt etliche „Vereinigungen“ die trotz offensichtlich verfassungsfeindlicher Aktivitäten in Deutschland nicht verboten sind und teils nicht einmal überwacht werden.

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