Während in Brüssel drastische Verschärfungen der Waffengesetze für alle EU-Länder diskutiert werden, geht die polnische Waffenlobby entschieden in die entgegengesetzte Richtung. Am 5. Dezember 2015 fand eine ROMB Convention in Warschau statt. Es war die erste derartige Veranstaltung in Polen seit 1945 und mir (Anm. d. Red.: Ron Siderius) wurde die Ehre zuteil die German Rifle Association vor Ort zu repräsentieren. ROMB ist eine Abkürzung für Ruch Obywatelski Milosników Broni (dt. Bürgerbewegung der Waffenfreunde).
Diese Interessenvertretung der polnischen Waffenbesitzer entstand im Jahr 2011 kurz nach der Liberalisierung des Waffengesetzes. Die damals wesentlichste Änderung betraf die Art, wie Waffenerlaubnisse von den Behörden zu erteilen sind. Vor der Gesetzesänderung durften die Polizeikommandanten auf der Ebene der Verwaltungsbezirke quasi willkürlich entscheiden, wer eine Erlaubnis zum Waffenerwerb bekam und wer nicht.
In dem neuen Waffengesetz wurden feste Kriterien aufgestellt, bei deren Erfüllung die Erlaubnisse erteilt werden müssen. Dazu gehören Gründe wie z. B. Schießsport, Jagd, Sammelleidenschaft oder Selbstschutz. Weiter müssen die Anwärter nachweisen, dass sie zuverlässig, sachkündig und Mitglied in einem Schießsport- oder Jagdverband sind. Darüber hinaus muss jeder Anwärter standardmäßig eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) über sich ergehen lassen, um eine Waffenbesitzkarte zu bekommen.
Erlaubnisse Waffen zu führen (Waffenschein) werden gegenwärtig ähnlich restriktiv gehandhabt wie in Deutschland. Da aber in den Amtsstuben der Polizei häufig noch der alte kommunistische Mief sitzt, haben die Behörden weiter diskretionär entschieden, was jedoch gesetzeswidrig war. Dieser Praxis stellte sich ROMB vor den Verwaltungsgerichten entgegen und gewann gegen die Polizeiorgane. Seit diesem Zeitpunkt genießt ROMB eine hohe Reputation bei den Waffenbesitzern.
Das von dem ROMB-Ratsleiter, Jaroslaw Lewandowski vorgestellte Hauptthema der Convention war der Gesetzesentwurf einer weiteren Liberalisierung des Waffengesetzes in Polen. Danach soll nicht mehr die Polizeikommandanten, sondern die allgemeine Administration auf Stadt- oder Bezirksebene die Erlaubnisse für den Waffenerwerb erteilen. Durch diesen Schritt soll verhindert werden, dass die Polizei als ein Richter in der eigenen Sacher fungiert und weiter nach Gutdünken entscheidet. Die Polizei soll lediglich Informationen zur Verfügung stellen, ob die Anwärter zuverlässig sind. Darüber hinaus werden in dem Gesetzesentwurf die Gründe für den Waffenerwerb erweitert.
Dazu gehören:
- Jagd
- Schießsport
- Mitgliedschaft in paramilitärischen Organisationen
- Sammeln von Waffen
- Selbstschutz in den eigenen Wohn- und Geschäftsräumen
- Teilnahme an Reenactment-Veranstaltungen
- Selbstschutz außerhalb der eigenen Wohn- und Geschäftsräume
- Perfektionierung der berufsbedingten Schießfertigkeiten für Soldaten, Polizisten und sonstiges Sicherheitspersonal
- Durchführung und Leitung von Schießschulungen
- Benutzung von Waffen für Signalzwecke
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind die geplanten Waffenerlaubnisse für die Zwecke des Selbstschutzes in den eigenen Wohn- und Geschäftsräumen, sowie auch außerhalb dieser. Nach dem neuen Gesetzesentwurf soll kein Nachweis einer überdurchschnittlichen Gefährdung mehr notwendig sein. Stattdessen sollen die Anwärter nur ausreichende Schießfertigkeiten unter Beweis stellen.
Dazu dient eine Übung mit zwei Mannscheiben, auf die aus der Deckung zehn Schüsse aus einer Kurzwaffe innerhalb von 30 Sekunden auf die Entfernung von sieben bis zehn Metern abgegeben werden müssen. Alle zehn Schüsse müssen die Zielscheiben treffen. Wer sich keine Fehlschüsse bei dieser Prüfung leistet, der soll einen Waffenschein bekommen und seine Waffe in der Öffentlichkeit führen dürfen.
Durch diese Maßnahme soll sichergestellt werden, dass der Waffenträger in einer Notwehrsituation auch die Ziele verlässlich trifft, auf die er zielt und unbeteiligte Personen nicht geschädigt werden.
Die ROMB Convention war kein einfaches Meeting von Sportschützen, Jägern oder Waffensammlern, die sich gemütlich beim Bierchen für ihr Hobby einsetzen wollen. Es war vielmehr eine Veranstaltung, die den privaten Waffenbesitz zu einer Sache von nationaler Bedeutung erhob. Viele Anwesenden sind ehemalige Berufssoldaten, arbeiten heute teilweise immer noch aktiv im bewaffneten Sicherheitsdienst und schützen z. B. Handelsschiffe vor Piratenangriffen. Einige Waffenhändler waren ebenfalls anwesend. Das ist eine Klientel mit einer pragmatischen Mentalität.
Besonders die neuesten Entwicklungen wie die Krise in der Ukraine oder der islamistische Terrorismus und die Flüchtlingskrise im Westen erinnern die Polen an ihre geopolitische Lage. Polen befindet sich zwischen den russischen und westeuropäischen Interessen, die schon öfter in der Geschichte zum großen Problem für dieses Land wurden. Heute gibt es in Polen ca. 200.000 registrierte Schusswaffenbesitzer. Das ist für ein Land mit 38 Millionen Einwohnern nicht viel.
Der ROMB-Vorstand, Andzej Turczyn referierte darüber, wie die kommunistische Regierung nach der Machtübernahme in 1945 alle Bürger zuerst entwaffnete. Für den illegalen Waffenbesitz drohten laut des Dekrets aus dem Jahr 1946 langjährige Haftstrafen oder sogar die Todesstrafe, die in vielen Fällen tatsächlich ausgeführt wurde. Die meisten heutigen Waffenbesitzer in Polen sind also Neuzugänge. Das hat jedoch den Vorteil, dass sie im Durchschnitt jünger und politisch agiler sind als ihre westlichen Counterparts aus dem Bereich der Traditionsschützen.
Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass der Oberst, Krzyscztof Gaj den Aufbau einer Nationalgarde forderte, die neben der Berufsarmee die Heimatverteidigung verstärken soll. Schon heute sind über 40.000 junge Polen Mitglied in verschiedenen paramilitärischen Organisationen. Am Wochenende ziehen sie sich Felduniformen an und üben im Gelände die Landesverteidigung. In den meisten Fällen sind es Schüler der gymnasialen Oberstufe und Studenten. Jetzt wird vom Verteidigungsministerium vorgeschlagen diese privaten Organisationen als eine Nationalgarde zu professionalisieren. Damit wäre auch der Umgang mit Waffen für viele junge Polen gesichert.
Anwesend waren ebenfalls einige Mitglieder des Parlaments, die dem neuen Gesetzesentwurf durchaus positiv gegenüber stehen. Sie traten auf der ROMB-Convention nicht als Privatpersonen auf, sondern wurden mit dem Einverständnis ihrer parlamentarischen Clubs dorthin geschickt. Nach den neuesten Parlamentswahlen im Herbst 2015 wurden alle postkommunistischen Parteien abgewählt.
Im jetzigen Parlament sind lediglich zwei politische Richtungen übrig geblieben, wirtschaftsliberal und nationalkonservativ. Das weckt natürlich nicht ganz unbegründete Hoffnungen auf die Annahme des Gesetzesentwurfs im Parlament.
Interessant war auch die Kritik an diesem Gesetzesentwurf. Einem in Polen sehr bekannten Reisereporter, Wojciech Cejrowski, ging der Entwurf der Liberalisierung des Waffengesetzes nicht weit genug. Der zeitweise in den USA lebende Reporter propagierte explizit ein Recht der Bürger Waffen zu besitzen und zu tragen und forderte für Polen ein Waffengesetz wie in Arizona. Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich von dem ROMB-Vorstand als zumindest im Moment politisch nicht durchsetzbar eingestuft.
Ein zweites großes Thema der Convention war natürlich der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verschärfung der EU-Richtlinie bezüglich der Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen. Dieser Vorstoß wurde unisono als ein Versuch einer stufenweisen Entwaffnung aller Europäer gewertet. Alle Teilnehmer lehnten diesen Vorschlag angesichts des aufkommenden Gefahren in Europa vollkommen ab. Gefordert wurde genau das Gegenteil, ein erleichterter Zugang der Europäer zu Schusswaffen für die Zwecke des Selbstschutzes.
In diesem Zusammenhang hatte es schon eine Signalwirkung, als die Veranstalter die EU-Flagge aus dem Eingangsbereich kurzerhand entfernten und in die hinterste Ecke stellten, wo sie keiner anschauen musste. Sichtbar war für die Gäste neben dem ROMB-Banner nur die polnische Nationalflagge. Da nahmen sich die Veranstalter wohl ein Beispiel an der neuen Ministerpräsidentin, Beata Szydlo, die bei ihrer ersten Pressekonferenz nach den Wahlen die blauen EU-Flaggen aus dem Hintergrund ebenfalls entfernen ließ.
Wenn man etwas über den Tellerrand schaut, dann merkt man, dass die EU in Polen mittlerweile viel von ihrer Attraktivität verloren hat. Milliardensubventionen hin oder her. Die EU wird zunehmend als eine Bedrohung für die Freiheit und Unabhängigkeit angesehen. In Polen wird man kaum eine politische Rede hören, in der nicht vom unabhängigen Polen gesprochen wird. Unabhängigkeit ist in diesem Land ein historisch wichtiges Thema. Vor dem Hintergrund des Mikromanagements und der Regulierungswut der Europäischen Kommission wirkt der wachsende Abstand Polens zu der EU ganz natürlich.
Auch die Rolle von Firearms United wurde erklärt. Die Werbung für die Petition gegen die EU-weite Verschärfung des Waffengesetzes und die Aufrufe an alle Waffenbesitzer die Politiker schriftlich, telefonisch oder persönlich diesbezüglich zu kontaktieren, ist die erste Feuerprobe dieser Organisation. In den letzten Tagen kamen neue Länder hinzu: Finnland, Österreich, Schweden, Frankreich, Kroatien und die USA.
Einige ROMB-Mitglieder kennen mittlerweile die Arbeit von Katja Triebel. Sie baten mich ihr ihre höchste Anerkennung für die vielen Analysen und Dossiers auszudrücken, die sie ununterbrochen anfertigt. Diese Dokumente helfen auch immens als Argumentation in Gesprächen mit wenig informierten Politikern.
Dariusz Dura, der Initiator von Firearms United kündigte eine Registrierung dieser Organisation als ein Verein an. Nur so kann Firearms United offiziell auftreten und vor allem legal finanziert werden. Eine ausreichende Finanzierung wird jedenfalls notwendig sein, wenn wir mit den internationalen Waffenprohibitionisten kämpfen und gewinnen wollen. In meiner anschließenden Rede zitierte ich den ehemaligen Präsidenten der NRA, Harlon Carter, der in 1981 in Denver sagte:
„There must be millions like you. We must trip our enemies and help our friends in the political arena. We must build Firearms United (orig. the NRA) into such a strong force, no politician in Europe (orig. in America) will dare intrude on our rights.”
Es wäre keine polnische Veranstaltung der Konservativen, wenn nicht auch ein Geistlicher gesprochen hätte. Der protestantische Pastor und Herausgeber der Zeitschrift Idz pod Prad (dt. Geh gegen den Strom), Pawel Chojecki vertrat die Meinung, dass Christen in den heutigen Zeiten nicht nur fromm, sondern auch wehrhaft sein müssen.
Pastor Chojecki besitzt selber einige Waffen und propagiert den legalen Waffenbesitz als eine wichtige patriotische Tugend. In seinem Vortrag bezog er sich auf den Videoclip der National Rifle Association (NRA), „Moms Like Me“ mit Dana Loesch, in dem auch christliche Symbole genutzt werden, um die Botschaft zu verstärken, dass Waffen in den Händen von guten und verantwortungsvollen Menschen gesellschaftlich wünschenswert sind. Darüber hinaus erinnerte Pastor Chojecki, dass der Waffenbesitz immer mit einer hohen moralischen Verantwortung verbunden ist.
Andrzej Zdzitowiecki thematisierte in seinem Vortrag die Tatsache, dass in dem medialen Diskurs über Waffen immer nur einseitig die sozialen Kosten des Waffenbesitzes betont werden. Das berühmteste Beispiel sind die vielzitierten 30.000 Schusswaffentoten jährlich in den USA. Selten erwähnen die Mainstreammedien jedoch, dass 2/3 davon Selbstmörder sind, bei denen es auf das Tatmittel nicht ankommt. Den größten Teil von dem Rest machen Tötungsdelikte im Verbrechermilieu, das sich sowieso an keine Gesetze hält, inklusive der strengsten Waffengesetze. Zu diesen 30.000 Schusswaffentoten zählen die Waffengegner ebenfalls diejenigen Verbrecher, die von der Polizei erschossen werden.
Nur selten sprechen die Mainstreammedien jedoch von dem sozialen Nutzen des Waffenbesitzes. Waffen retten auch Leben. In den USA wehren sich jährlich bis zu 2,6 Millionen potentielle Verbrechensopfern erfolgreich mit Schusswaffen. Waffen helfen die öffentliche Ordnung zu halten, sie dienen der Verteidigung ganzer Länder und Nationen.
Nicht zuletzt ist die Waffenindustrie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und sichert Arbeitsplätze. Insgesamt ist es heute so, dass sich die Waffenbesitzer selber in die Defensive bringen, indem sie versuchen auf die diversen Anschuldigungen der Waffengegner lediglich zu reagieren. Andrzej Zdzitowiecki fordert in die Offensive überzugehen. Es ist Zeit damit anzufangen die sozialen Vorteile des legalen Waffenbesitzes in den Vordergrund zu stellen.
In einem Nebensaal wurde eine kleine Waffenausstellung aufgebaut. Der Waffenhersteller RADOM stellte das neuste Sturmgewehr MSBS vor. Diese Waffe ist modular konstruiert und kann unterschiedlich konfiguriert werden. Die Waffe sieht sehr attraktiv und solide aus, ist aber momentan nur in der vollautomatischen Ausführung für das Militär und die Sicherheitskräfte erhältlich. Zivile halbautomatische Modelle sollen zukünftig auch lieferbar sein.
RADOM stellte ebenfalls den Nachbau der legendären Pistole VIS 35 vor. Es wurden bis jetzt probeweise nur 50 Stück hergestellt. Wenn RADOM eine Nachfrage nach mindestens 5.000 Stück feststellt, dann ist eine Produktionsaufnahme dieser historisch interessanten Waffe nicht ausgeschlossen. Die VIS 35 gilt in Polen als eine Kultwaffe.
Andere Waffenhändler haben ebenfalls ihre Produkte aus dem Bereich Schießsport, Gas- und Schreckschusswaffen sowie auch Air-Softwaffen vorgestellt.
Eine Rarität ist der Mercedes Sprinter eines ROMB-Mitglieds, der vollständig mit ROMB-Motiven beklebt wurde. Da stehen Parolen drauf wie „Waffen retten Leben“ oder „Einen bösen Menschen mit einer Waffe kann nur ein guter Mensch mit einer Waffe stoppen“. Das ist eine fahrende Werbung für den Waffenbesitz.
Insgesamt kann man sagen, dass sich ROMB in den letzten vier Jahren zu einer sehr professionellen Organisation entwickelte, die mutig, entschlossen und planmäßig vorgeht. Sie verstehen den Waffenbesitz nicht nur als ein schönes Hobby, sondern als einen wichtigen Faktor bei der Landesverteidigung, sowie beim individuellen Selbstschutz.
Das Ziel der geplanten Liberalisierung des Waffengesetzes ist, so vielen gesetzestreuen Polen wie möglich den Waffenbesitz zu ermöglichen. Mit einer so gewachsenen Basis kann anschließend der Abbau von weiteren Schranken des Waffenerwerbs politisch durchgesetzt werden.
Wenn also eine starke europäische Waffenlobbyorganisation aufgestellt werden soll, die sich für das Recht der gesetzestreuen Bürger einsetzt Waffen zu besitzen und zu tragen, dann ist Osteuropa insgesamt ein guter Startpunkt. Dort gibt es Menschen, die den unbedingten Willen und Überzeugung haben so etwas auf die Beine zu stellen.
ROMB-Mitglied und Referent, Andzej Zdzitowiecki, sagte mir in einem Gespräch:
„Vielleicht wird die neue EU-Richtlinie für die europäischen Waffenbesitzer eine Art Pearl Harbour sein. Am Anfang wird es ein Schock, aber es wird uns hoffentlich auch eine starke Motivation sein für unsere Sache zu kämpfen.“
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