23.02.2020 (GRA) Menden
Um Attentate wie in Hanau zu verhindern, wird keine Verschärfung im Waffenrecht benötigt. Das Gesetz müsste von den Behörden nur angewendet werden. Psychische Krankheit schließt Waffenbesitz schon seit Jahren klar aus. Seit November 2019 hatten die Behörden Kenntnis.
Der mutmaßliche Attentäter in Hanau hatte im November 2019 Anzeige bei der Generalbundesanwaltschaft gegen eine „unbekannte geheimdienstliche Organisation“ gestellt. Da die Behörde kein Ermittlungsverfahren einleitete, „habe die Generalbundesanwaltschaft aber keinen Zugriff auf das Waffenregister.“
Die soziale Kontrolle im realen Leben funktionierte nicht. Das Elternhaus übte diese nicht aus. Im Schützenverein war der Täter nicht auffällig. Die soziale Kontrolle in der virtuellen Welt fehlte komplett, da es nicht genügend Cybercops gibt.
Terrorismusforscher Peter Neumann (Morgenpost):
„In diesen virtuellen Räumen müssen die Sicherheitsbehörden genauso präsent sein wie in real existierenden Räumen.“ Bei den Islamisten hätten die Sicherheitsbehörden das gut in den Griff bekommen, so Neumann. „In der rechtsextremen Szene fangen wir gerade erst damit an. Das muss deutlich besser werden.“
Statt Geld in mehr Polizeipräsenz in der virtuellen Welt zu stecken, wurden in den letzten Jahren Millionen in ein Waffenregister investiert und Regelabfragen beim Verfassungsschutz eingeführt. Beide Maßnahmen haben Hanau und Halle nicht verhindert. Auch der neue Vorschlag des Bundesinnenministers nach medizinischen Gutachten für Waffenbesitzer hätte das Attentat in Halle nicht verhindert.
Da Waffenbesitz Verbrechen verhindern kann, sollte der Waffenerwerb für bedrohte Bürger erleichtert werden.
Hintergrundinformationen:
Berliner Morgenpost: Hätte die Bluttat von Hanau verhindert werden können?
ZEIT: Attentäter von Halle: Gefährliche Verlierer
Salon: How the internet spawned 21st-century fascism
T-Online: Experte: „Dann wären seine Waffen sofort einkassiert worden“
Legal Tribune Online: Bürgermeister klagt auf Bewaffnung
BDS – Bund Deutscher Sportschützen 1975 e.V.: Stellungnahme zur abscheulichen Mordtat von Hanau
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Ob im Falles des Attentäters von Hanau behördliches Versagen vorliegt, kann ich nicht beurteilen.
Aber es gibt auch Fälle, in denen ich Zweifel habe, ob die Verfolgung von Rechtsbrüchen durch bestimmte Personen/Gruppen überhaupt gewollt ist. Ich erinnere an den Fall Ende der 1990er Jahre in NRW, als ein Kosovare mit einer AK-47 in einer Stadt rumgeballert hat und die Richterin gemeint hat, man müsse Verständnis haben, der Mann sei ja traumatisiert.
Oder Sommer 2019, Aalen, BW. In einem türkischen Hochzeitskorso wurden aus 15 großkalibrigen Schusswaffen, darunter eine Maschinenpistole, mehr als 2.500 Schuss in der Stadt abgefeuert. Die Polizei beschränkte sich auf Verkehrsregelung, trotz klarer Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffen Kontrollgesetz. Drei Tage später hat dann der örtliche GdP-Fürst gemeint, man werde den Vorfall prüfen (entsprechende Videos gab es im Netz).
Aber wehe, Dein Nachbar sieht Dich, während Du im Wohnzimmer eine legale Waffe reinigst, weil Du die Rollade nicht runter gelassen hast und er die Polizei ruft. Der SEK-Hausbesuch ist Dir sicher.
@ Reinhard Henke
Das ist die Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Oder besser: Aus Korruption und Todesangst.
Im Apparat will wohl niemand in Kirsten Heisigs Fußstapfen treten. Dabei lässt sich so eine Situation durchaus in den Griff bekommen. Ich muss gerade an Elliot Ness und J. Edgar Hoover denken. Wenn man bei den Behörden nicht so überaus pingelig mit der Vergabe von Waffenscheinen wäre, wäre schon viel gewonnen. Aber da ist die Erkenntnis noch nicht gereift.
Zu Details bzgl. möglicher Organisationsformen und deren Unabhängigkeit vom System, werde ich mich hier jedoch nicht äußern. Der Feind ließt mit.
Eine Staatsanwaltschaft ist eine Justizbehörde. Die ruft nicht beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Hanau an. So arbeiten Behörden nicht. Man kann das bedauern oder auf die Beamten schimpfen. Das muss man aber nicht. Es wäre nicht gut, wenn Beamte aus persönlicher Anteilnahme Akten und Fälle willkürlich bearbeiten würden: Mal ruft man ehrenamtliche Helfer an, mal läßt man die Einweisung in eine geschlossene Anstalt prüfen, mal entzieht man den Führerschein, mal die WBK. Zumal Staatsanwaltschaften nicht die Kompetenz zu psychiatrischen Ferndiagnosen haben. Es ist zunächst einmal gut, dass man heute keine Angst mehr vor der Polizei hat, (obwohl etwas mehr Respekt nicht schaden würde). Es ist zum Glück nicht mehr so, dass ein guter Bürger einer ist, der mit der Polizei nichts zu tun hat. Es soll schon so sein, dass man ohne Angst zur Polizei gehen und eine Anzeige erstatten kann.
Der Täter von Hanau hat nach einer Banklehre BWL studiert, soweit ich den Lebenslauf nachvollziehen kann, in einer angemessenen Zeit und danach einen kaufmännischen Beruf in München ausgeübt. Das ist ein gar nicht so erfolgloses Leben. Sein inneres Leben sah sehr dunkel aus, das hat er jedoch nicht gezeigt. Er ist mehrmals in er Woche zu einem Verein gegangen und hat dort keine Anzeichen geäußert, die sein Inneres sichtbar gemacht hätten. Warum hätte jemand an seinem psychischen Gesundheit zweifeln sollen? Weil er eine Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet hat? Da müsste man am Verstand von vielen zweifeln! Jedenfalls ist das kein Mensch, den man in eine psychiatrische Klinik einsperrt. Auch für den Entzug der WBK ist das ein bisschen wenig. Man kann nicht jedem Menschen alles ansehen. Sonst würde es keine Heiratsschwindler, Hochstapler und eben Amokläufer geben. Ich bin auch überzeugt, dass ein psychologisches Gutachten nichts ergeben hätte. Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die vieles kann. Hellsehen kann man im Psychologielehrbuch nicht lernen.
@ Kipplauf
Zitat:“ Warum hätte jemand an seinem psychischen Gesundheit zweifeln sollen? Weil er eine Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet hat?“
Der Inhalt der Anzeige ist hier relevant. So wie ich das verstanden habe, entspricht die Anzeige in weiten Teilen seinem Manifest. Und da erkennt der Normalbürger beim Lesen bereits, dass da etwas nicht stimmt. Sollte erst recht für den Generalbundesanwalt gelten.
Zumindest hätte es Anlass seien sollen, etwas genauer hinzuschauen. Was offenkundig nicht passiert ist.
Ja, der Inhalt der Anzeige war definitiv ein HILFERUF. Wer so einen Blödsinn schreibt, tickt nicht richtig.
Wenn wir merkwürdige Briefe bekommen, leite ich diese weiter an den Sozial Psychatrischen Dienst. Der arbeitet „außerhalb des Systems“ und bietet Hilfe an.
Statt nach mehr ÜBERWACHUNG zu rufen (Seehofer, Grüne und Co.), wäre Hanau das beste Beispiel, um all die HILFE-Angebote der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Beim SPDi kann auch anonym um Hilfe gebeten werden von Angehörigen und Bekannten. Sowohl die Staatsanwaltschaften, der Generalbundesanwalt und auch die Detektei hätten diesen Dienst informieren sollen.
Hätten alle drei diesen informiert, hätten dort einige Warnglocken läuten müssen.
Meines Erachtens waren dies alles Hilferufe des Attentäters, die ein Team aus Psychiatern, Psychologen, Krankenschwestern, Sozialarbeitern und -pädagogen wesentlich besser hätten beurteilen können als Staatsanwälte und normale Bürger.
Ob es geholfen hätte, ist nicht gewiss. Geschadet hätte es jedoch nicht.
„Gegen den Willen des Klienten sind jedoch aufsuchende Dienste nicht möglich. Im Zweifelsfall kann der SPDi erst tätig werden, wenn es um „Gefahr für Leib und Leben“ des Klienten oder anderer Personen geht.“
https://www.aerzteblatt.de/archiv/58660/Sozialpsychiatrischer-Dienst-Entlastung-fuer-den-Hausarzt
@ Katja Triebel
Guter Ansatz. Allerdings sollte man in der jetzigen Situation eben nicht nur darauf achten, ob jemand einfach so ein psychisches Problem bekommen hat, sondern ob dieses psychische Problem eventuell mit den aktuellen politischen Verwerfungen zu tun hat.
Worauf ich hinaus will, ist folgendes:
Das Phänomen „Reichsbürger“ ist Folge politischer Fehlentwicklungen und der bewussten Missachtung des Willens eines Teils des Volkes. Reichsbürger sind de facto Aussteiger aus unserem politischen System. Das gleiche Phänomen findet man auch bei Muslimen, die sich in unserer Gesellschaft nicht mehr zurechtfinden und sich dem radikalen Islam zuwenden.
Die Grenze zwischen Wahnsinn und politisch motiviertem bzw. religiösem Terrorismus ist fließend. Ich habe im Dienst selbst beobachten können, wie Menschen aus dem islamischen Kulturkreis mit unseren Regeln und Gesetzen fortlaufend überhaupt nicht klar kamen, deshalb permanent vor eine Mauer liefen und durchgedreht sind.
Was wiederum dazu führte, dass sie sich (teils überaus spontan) religiös radikalisierten.
Dass radikalislamische Attentäter bei uns oftmals direkt in der Anstalt und nicht im Gefängnis landen, ist kein Versuch der Behörden da irgendetwas unter den Teppich zu kehren oder zu relativieren. Die Grenze zwischen durchdrehen und politischem bzw. religiösem Radikalismus, ist fließend. Für Reichsbürger gilt das natürlich auch. Ziviler Ungehorsam kann im Extrem zu äußerst psychopathischen (von Zwangshandlungen begleiteten) Auswüchsen mutieren.
Der Culture Clash, der sich hier durch die Globalisierung auftut, führt zu mehr und mehr gesellschaftliche Ausfällen. Dafür braucht es ein gesteigertes Bewusstsein.
Nicht alle Frustrierten und Wutbürger lassen sich durch alternative politische Angebote wieder einfangen. Insbesondere dann nicht, wenn diese alternativen politischen Angebote permanent von der etablierten Politik sabotiert werden. Manche fressen deshalb ihre Probleme einfach in sich hinein, anstatt professionelle Hilfe zu suchen oder sich selbst zu engagieren. Und genau diese Sorte Mensch dreht dann am Rad und wird gefährlich.
Das ist natürlich nicht nur ein Problem für den Waffenbesitz, sondern gilt auch für alles andere. Dass man mit Autos noch mehr Schaden anrichten kann als mit Waffen, haben wir gerade leider wieder zur Kenntnis nehmen müssen.
Mit diesem Problem muss offen und ehrlich umgegangen werden. Die etablierte Spitzenpolitik tut sich hier leider sehr schwer damit, weil sie für diese Entwicklung selbst verantwortlich ist.
Diesen reflexhaften Ruf nach immer mehr staatlicher Kontrolle finde ich schlimm. Es gibt keine totale Sicherheit und wer sich diese wünscht, der darf sich den totalen Überwachungsstaat gleich dazu wünschen oder er geht am besten gleich nach China. Da hängt schon an jeder Ecke eine Überwachungskamera, Social Scoring ist in einigen Regionen bereits Realität und privaten Waffenbesitz gibt es praktisch nicht. Trotzdem ist die Kriminalität auch in China genauso allgegenwärtig wie im Rest der Welt.
Man kann wegen dieser tragischen Vorfälle nicht schon wieder am Waffengesetz schrauben oder den privaten Waffenbesitz ganz abschaffen, wie das gewisse Leute immer wieder gerne fordern, weil sie sich die ultimative Kontrolle über das Volk wünschen.
Der private Waffenbesitz ist im Rahmen der demokratischen Checks and Balances ein wichtiges Stellglied zur Bewahrung der Freiheit. Auch die US-Amerikaner sind nicht glücklich, wenn es in ihrem Land eine Schießerei mit tödlichem Ausgang gibt, aber sie wissen, dass eine Einschränkung des Second Amendments aus dem eben dargestellten Grund gefährlich ist und zum anderen nicht die Kriminalität reduzieren wird. Es ist eben der Preis der Freiheit. Wir akzeptieren auch jedes Jahr 3.000 Verkehrstote und Hunderttausende an Verletzen, weil wir wissen, dass das der Preis der Mobilität ist.
Wenn man alle privaten Waffen für ungesetzlich erklärt, und das ist das, was die meisten Regierungen in der EU beabsichtigen, dann werden nur noch die Kriminellen Waffen haben und es wird sich in Sachen Kriminalität gar nichts zum Positiven hin verändern. Dies kann man z.B. seit Jahren in Venezuela mit seinem extrem strengen Waffengesetz und seiner extrem hohen Kriminalität sehr eindrücklich studieren.
Die Amerikaner beschreiben diesen Zusammenhang mit einem sehr schöne Wortspiel:
When guns are outlawed only outlaws will have guns.
1:1 übersetzt: Wenn Waffen für gesetzlos erklärt werden, dann haben nur noch die Gesetzlosen Waffen.
@ Schmied
Es braucht nicht mehr staatliche Kontrolle, es braucht den richtigen Fokus. Während auf klitzekleine Details in der Breite enormer Wert gelegt wird, gehen den Behörden die seltenen Härtefälle offenkundig durch die Lappen. Was gerade mal wieder sehr gut zu beobachten ist.
Es wäre zielführend, Fokus und Personal auf die Härtefälle zu konzentrieren.
Mein Gedanke die Bevölkerung mit einzubinden, soll den Personalmangel lindern und zeitgleich das Volk so weit beteiligen, dass sich der Staatsapparat nicht gegen das Volk wenden kann.
In der Schweiz läuft es ja auch so. Wir waren mit dem Bürger in Uniform in der West BRD mal auf dem richtigen Weg dorthin. Alles einfach frei zu geben, wird relativ schnell Kollateralschäden produzieren. Was wiederum die Stimmung im Volk kippen lassen wird.
Wenn man das Land aufrüstet, muss dies schon geordnet von statten gehen.
Zitat:“„In diesen virtuellen Räumen müssen die Sicherheitsbehörden genauso präsent sein wie in real existierenden Räumen.“ Bei den Islamisten hätten die Sicherheitsbehörden das gut in den Griff bekommen, so Neumann. „In der rechtsextremen Szene fangen wir gerade erst damit an. Das muss deutlich besser werden.““
Einspruch. Das funktioniert weder richtig bei den Islamisten, noch wird es bei der rechtsextremen Szene funktionieren, wenn man durchgeknallte und sozial isolierte Verschwörungstheoretiker denn überhaupt als rechtsextrem ansehen sollte.
Extreme Einzelfälle, wie den Täter von Hanau, bekommt man aus der Entfernung so gut wie nicht in den Griff. Aus den digitalen Spuren einer Person im Netz, lässt sich nicht mit absoluter Gewissheit irgendetwas Stichhaltiges herauslesen. Man denke einfach an die übliche und flächendeckende Trollerei. Viele Menschen spielen im Netz eine Rolle, die der Realität nicht entspricht. Manche können dies sogar im realen Leben. Allerdings kommen im realen Leben Faktoren dazu, die im Internet von vornherein fehlen:
Gestik, Tonfall, unbewusste Bewegungen, etc.. Ob jemand etwas ironisch meint oder nicht, lässt sich Auge in Auge sofort feststellen. Ob jemand lügt, meist auch. Körpersprache und Mimik sind selbst für Profis meist nur sehr schwer bewusst zu steuern.
Im Internet, wo einzig der Text (also der blanke Inhalt einer Aussage) zu lesen ist, fehlen all diese Informationen völlig. Emoticons können bewusst falsch gesetzt werden. Gilt sogar für Rechtschreibfehler, Fehler im Satzbau oder falsche Angaben zur eigenen Person.
Wer das auf dem Schirm hat und es einigermaßen geschickt einsetzt, kann den gesamten Apparat an der Nase herumführen.
Psychopathen haben solche Fähigkeiten meist sehr stark ausgebildet, weshalb sie auf der Karriereleiter oftmals auch schnell nach oben kommen. Oder eben total abstürzen.
Ob jemand ein Psycho (oder auch ein Staatsfeind / potentieller Terrorist) ist oder nicht, lässt sich nur durch echten Kontakt feststellen. Ein Kontakt, der über allgemeines Geplänkel hinausgehen muss. Im Schützenverein geht es meist nicht über allgemeines Geplänkel hinaus.
Wenn jemand Anlass gibt, dass er eine Gefährdung für die Allgemeinheit sein könnte, braucht es einen Profi, der auf ihn angesetzt wird und ihn aus der Reserve lockt.
Nur so kommt man der Sache wirklich auf die Spur und kann die Situation richtig einschätzen.
Im Falle des Täters von Hanau ist dies offenkundig ausgeblieben. Und das obwohl er den Behörden bekannt war.
Jetzt stellt sich die Frage: Haben wir genug Personal? Ich glaube nicht.
Die Gesellschaft geht gerade vor die Hunde und die Menschen drehen mehr und mehr am Rad.
Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, sonst wird uns dieses Land um die Ohren fliegen.
Man sollte möglichst viele Menschen in den Sicherheitsapparat einbinden.
Auf deutsch: Reste zusammenkratzen, organisieren und entsprechend ausbilden.
Auch in der physischen Intervention. Womit wir dann wieder beim Waffenrecht landen.
„The only one who can stop a bad guy with a gun, is a good guy with a gun.“