BKA-Gesetz & Co.: Unschuldige im Visier?

Monitor berichtet über die neuen „Sicherheitsgesetze“ der Bundesregierung, die jetzt durchgebracht werden sollen. Diese wollen den Sicherheitsbehörden erlauben, weitreichend Daten über Bürger zu sammeln und zu verknüpfen. Ob das Terrorismus verhindern kann? Und zu welchem Preis?

„Was ist eine kriminelle Scheinkarriere? Ganz einfach: Das was jedem völlig unbescholtenen Bürger drohen kann, wenn polizeilich gesammelte Daten sich plötzlich selbständig machen. Wenn Zufallskontakte der Polizei plötzlich verdächtig erscheinen oder man sich schlicht zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort befunden hat. Dann könnte aus jedem von uns ein Scheinkrimineller werden, und das könnte ziemlich unangenehme Folgen haben. Das Risiko, dass Ihnen das passieren könnte, ist seit heute jedenfalls deutlich größer geworden. Denn heute hat der Bundestag eine ganze Reihe von Sicherheitsgesetzen verabschiedet, die nicht nur für Datenschützer zum reinsten Alptraum werden könnten.

Video und Transkript vom 27.04.2017

Screenshot: MONITOR vom 27.04.2017

Die neuen Gesetze greifen noch tiefer in unser Leben ein als die bereits vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlich bedenklich beurteilte Anti-Terror-Datei (ATD). Wir hatten schon im September 2016 über die beiden Extremisten-Dateien berichtet. Die Evaluation kam zum Fazit:

Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind immer noch nicht ausgeräumt, insbesondere wenn die Dateien für operative Zwecke missbraucht werden sollen. [Auch] muss an dieser Stelle die Frage gestellt werden, ob der für die bislang noch nicht erfolgte technische Umsetzung erforderliche Aufwand in Anbetracht des voraussichtlich nur geringen Nutzens dieses Instruments gerechtfertigt ist.

Monitor schreibt:

Und mit den technischen Möglichkeiten wächst auch die staatliche Sammelgier. Überall entstehen neue Datentöpfe. Am Bahnhof Südkreuz in Berlin etwa testet die Bundesregierung ab Herbst intelligente Videoüberwachung. Bewegungsprofile sollen angelegt, auch automatisierte Gesichtserkennung soll getestet werden. Die Bundesregierung will so Terror verhindern, wie mit so vielen Gesetzen, die allein in dieser Legislatur auf den Weg gebracht wurden:

  • anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telefondaten
  • Abhören weiter Teile des Internetverkehrs durch das BND-Gesetz
  • automatisierte Kennzeichenerfassung an Grenzen
  • erleichterte Videoüberwachung
  • biometrische Passdaten für Polizei und Geheimdienste
  • Auslesen von Handys von Flüchtlingen
  • Einsatz von Staatstrojanern zum Ausspionieren von Rechnern, auch bei Alltagskriminalität

Das Ausmaß der möglichen Überwachung und Verknüpfung haben auch namhafte Gutachter im Bundestag massiv kritisiert. Der Gesetzgeber gebe den „Interessen der Sicherheitsbehörden umfassend den Vorrang“, schreibt einer. Die Bundesdatenschutzbeauftragte kommt zu dem Schluss, die vollständige Abkehr vom bisherigen Dateiensystem sei „nicht notwendig, zu undifferenziert und daher abzulehnen“.

Constanze Kurz, Chaos Computer Club: „Die Kollateralschäden, da hat man zum Beispiel die einzelnen Bürger, die in diesen Daten landen. Und im Übrigen lässt sich ganz gut ablesen, an den Hunderttausenden Menschen, die mittlerweile in verschiedenen No-Fly-Lists sind und plötzlich an irgendwelchen Flughäfen abgewiesen werden und nicht mehr wissen, warum.“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehem. Bundesjustizministerin: „Die große Gefahr ist, dass Menschen erfasst werden, die gar nichts mit Kriminalität und Terrorismus zu tun haben. Und dass losgelöst von allen Fakten daraus sogenannte kriminelle Feindkarrieren entstehen. [..] Ich habe noch nie eine Gesetzgebung erlebt, die so gehäuft Freiheitsrechte einschränkt und alles einer Sicherheit unterordnet, die aber durch diese Eingriffsbefugnisse gar nicht im besten Umfang gewährleistet wird.“

Alles für das große Versprechen von mehr Sicherheit. Aber bringen alle diese Maßnahmen wirklich mehr Sicherheit? Diese Frage wird kaum noch gestellt. Beim Anschlag am Breitscheidplatz zumindest gab es kein Erkenntnisproblem. Der Attentäter war bekannt und auf dem Schirm. Man hat nur nicht rechtzeitig eingegriffen.

Nicht nur der Attentäter vom Breidscheidplatz war bekannt, auch die Attentäter von Paris, London und Brüssel. Warum will der Staat Menpower und Geld in die Totalüberwachung aller Bürger stecken, wenn er nicht einmal in der Lage ist, die bereits identifizierten Gefährder zu kontrollieren?

Mit diesen Überwachungsgesetzen stehen alle Bürger unter Generalverdacht. 

5 Replies to “BKA-Gesetz & Co.: Unschuldige im Visier?”

  1. Dies alles erinnert mich immer mehr an die in den 1980’er gut gemachten ScienceFictionFilme ( das waren wohl auch die letzten gut gemachten Filme dieser Art ). Die totale Kontrolle und Ausbeutung der Bevölkerung waren da nach meiner Erinnerung der größte Inhalt – vom Starwarskram mal abgesehen. Ich kann mich auch noch an einen Film erinnern in dem sich die 3. Welt auf den Weg macht die Industriestaaten anzugreifen, leider weiß ich den Filmtitel nicht mehr. Merkt Ihr was? – vom Jules Verne ist auch fast alles wahr geworden. Man sollte vielleicht mal drüber nachdenken.

  2. Zu Freiheit und Demokratie gehoert immer auch ein gewises Mass an Verantwortung. Der werden die meisten Menschen in diesem unserem Land auch gerecht – bis auf wenige Ausnahmen. Die „Politiker“ haben diese Binsenweisheit einfach nur nicht gelernt oder verstanden. Deshalb schlagen sie mit Gesetzen um sich wie ein Ertrinkender mit den Armen. Sie glauben an ihren eigenen Untergang, wenn sie nicht frueh genug herausbekommen, wer sie unterstuetzt und wer nicht. Wenn man die Weisheit mit Loeffeln gefressen hat, muss man den anderen notfalls mit Gewalt und Gesetzen die eigene Vorstellung einpruegeln. Und „alternative Fakten“ verwenden, um den Widerstand moeglichst gering zu halten – das funktioniert in dieser Zeit mit „Terroristen-Abwehr“ halt am Besten.

    1. Die Parteien haben sich lange vom gesetzlichen Auftrag entfernt und quasi den Staat als Dauerbeute gekapert. Nix mehr mit „wirken an der politischen Willensbildung mit…“ sondern heute. „bestimmen die politische Willensbildung mit Hilfe einer ebenso totalen wie indirekten Medienkontrolle..“ aber auch einer angesichts des Wahlverhaltens offenkundig schafsdummen Bevölkerung.

      Geht alles in Richtung möglichst umfassender Kontrolle der zu melkenden Goldesel, auch die gern gepuschte Bargeldabschaffung haut in die gleiche Kerbe,….

  3. Das was bei uns im Land inzwischen in Sachen Datensammelwut des Staates getrieben wird, da war die DDR mit ihrem Stasi ein Kindergarten.
    Wenn das Ganze wenigstens einen Sinn zur Verbrechensbekämpfung hätte, wäre es noch zu verstehen. Aber es geht nur noch darum, den gesetzestreuen Bürger zu traktieren. Die Ganoven und Illigalen halten sich doch eh nicht an die gesetzlichen Bestimmungen.
    Langsam bin ich der Meinung, wir sind auf dem besten Weg in eine Diktatur und da schon weit fortgeschrirtten. Na ja, bei dieser Staaatsführung die das ja gut gelernt hat.

  4. Ermächtigungsgesetz- light?!
    Um Deutschland muss es ja verdammt schlecht bestellt sein?! Weiß da jemand ´was Genaueres?
    Wenn man in seinem Land schon Angst haben muss, für Veröffentlichung seiner vorsichtig ausgedrückten eigenen Meinung eventuell bestraft zu werden, dann wird’s heikel!
    Sportschützen halten sich an die noch so dämlichste, noch so abzockermäßig eingerichtete Geschwindigkeitsbegrenzung!
    Ich frage mich langsam, wie lange ich mich hier noch selbst geißele?! Wie lange ich mich noch weiter einschränke und selbstdiszipliniere!
    Raus zum 1. Mai!

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